Home is where the anchor drops – Leben 2.0

2021 November 22.

Aufmerksame Leser und Follower unseres „sailingmoments“ Blogs haben es sicher sofort bemerkt – es gibt einen neuen Menüpunkt der „Leben 2.0“ heißt.

Der Name ist weitgreifend, dennoch schlicht gewählt und steht für sich alleine. Ich habe bewusst darauf verzichtet diesen Menüpunkt aufwändig anzukündigen oder in den bekannten Medien zu bewerben – wer sich interessiert wird ihn finden.

„Leben 2.0“ ersetzt ab sofort die bekannten Urlaubsberichte. Wir sind seit 03/2021 Liveaboards, klassische Urlaubsberichte können wir nicht mehr schreiben.

Wir hatten uns entschieden, jeden Monat einen Bericht als Blogbeitrag abzuliefern, mehr oder minder kurze Zusammenfassungen die uns erlauben das Erlebte mit Euch, der Familie und den Freunden, zu teilen. Dies wird auch so bleiben, hier erfahrt ihr alles über unsere Törns, unsere Landaufenthalte und -ausflüge sowie über Reparaturen an NESSAJA und geplante Projekte.

Darüber hinaus bewegt uns aber mehr – Vieles davon lässt sich unter der Frage „warum“ zusammenfassen, das habe ich ja schon einmal versucht zu beschreiben und ihr könnt das hier noch einmal nachlesen.

Inzwischen fällt uns auf, dass wirklich die Mehrheit der Liveaboards weitergreifende und dabei doch ähnliche Beweggründe hat wie wir – ich darf hierzu aus der Webseite des Segelkatamarans „Aries“ zitieren, Freunde die wir hier in Leros gewonnen haben…

…konnten hier unsere Kinder in gesicherten Verhältnissen großziehen, und unsere Träume einer beruflichen Karriere verwirklichen. Immer hat es uns aber auch in die Ferne gezogen. Wir beiden lieben die Sonne, die Wärme und das Meer, und beide entdecken wir gerne Neues…

...haben wir uns entschlossen, unseren Traum – mit einem Boot die Welt zu erkunden – wahr werden zu lassen.
Natürlich ist es auch uns nicht leichtgefallen, unser soziales Umfeld, Familie und Freunde hinter uns zu lassen, oder das Haus … zu verkaufen.
Beide waren wir aber auch an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht mehr die gewohnte Erfüllung in unserer Arbeit fanden, wir teilweise von unseren Arbeitgebern oder Geschäftspartnern enttäuscht waren, weil scheinbar plötzlich langjähriges Engagement und aufgebautes Vertrauen dem immer weiter gehenden Streben nach noch mehr Effizienz, Effektivität und Gewinnen geopfert wurden.

Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen!

Mahatma Ghandi

Unsere Reise soll aber nicht nur dem Vergnügen dienen, sondern auch helfen wieder zu uns selbst zu finden, und zu unseren Einstellungen. Wir glauben daran, dass sich die Probleme, denen sich die Menschheit heute und noch mehr in Zukunft stellen muss, nicht durch Ab- und Ausgrenzung lösen lassen, sondern dass es ein globales Denken und gemeinsames Handeln erfordert – mehr miteinander statt gegeneinander. Wir wollen mit unserer Lebensweise, die möglichst autark und umweltschonend sein soll, auch aufzeigen, dass das konsumorientierte, materialistische Leben, welches die Bewohner der „hoch entwickelten“ Industrienationen derzeit praktizieren, weder zielführend noch unbedingt erstrebenswert ist, sondern uns von Marketingkampagnen, Lobbyisten und Politikern aufgedrängt wird.

Wie wenig die Dinge, für die man ein Leben lang gearbeitet hat, und von denen man dachte, ohne sie nicht leben zu können, wert sind, haben wir erlebt, als wir angefangen haben, unseren Hausstand aufzulösen, und die Dinge teilweise nicht einmal verschenken konnten. Ist man dann, wie wir, gezwungen mit nur einem Koffer abzureisen, muss man sich sehr genau überlegen, welche Dinge man wirklich braucht …“

Hier erst endet das Zitat und ich kann mich nur vollumfänglich anschließen! Die Worte hätten 1:1 von mir stammen können, dem ist kaum etwas hinzuzufügen!

Wir möchten für uns entschleunigen, den richtigen Takt finden und uns der Umwelt und den Mitmenschen gegenüber respektvoll und verträglich verhalten. Wir wollen Kulturen und Menschen kennenlernen, vorurteilsfrei und „open-minded“.

Ob uns dies gelingt und welche Gedanken wir hegen, werden wir daher zukünftig zusätzlich in Jahresberichten zusammenfassen, beginnend mit 2021 zum kommenden Jahreswechsel. Bleibt also gespannt welches Fazit wir jeweils nach einem Jahr an Bord ziehen und ob und wie weit wir uns weiterbewegt haben. Zu finden ab Januar als Untermenü in „Leben 2.0“.

Ein Dank an alle die bis hierher gelesen haben! Eine Reflexion der eigenen Lebensumstände ist eben nicht so „easy reading“ wie ein Urlaubsbericht. Wer noch nicht genug hat und sich noch ein wenig in seinen Gedanken verlieren möchte, dem lege ich ein Gedicht von Mário de Andrade ans Herz – es trifft genau diesen Nerv, es beschreibt mein Verständnis von Leben 2.0…

Meine Seele hat es eilig.

Ich habe meine Jahre gezählt und festgestellt, dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.
Ich fühle mich wie dieses Kind, das eine Schachtel Bonbons gewonnen hat: die ersten isst sie mit Vergnügen, aber als es merkt, dass nur noch wenige übrig sind, begann es, sie wirklich zu genießen.

Ich habe keine Zeit für endlose Konferenzen, bei denen die Statuten, Regeln, Verfahren und internen Vorschriften besprochen werden, in dem Wissen, dass nichts erreicht wird.
Ich habe keine Zeit mehr, absurde Menschen zu ertragen , die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind.

Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen.
Ich will nicht in Besprechungen sein, in denen aufgeblasene Egos aufmarschieren. Ich vertrage keine Manipulierer und Opportunisten. Mich stören die Neider, die versuchen, Fähigere in Verruf zu bringen, um sich ihrer Positionen, Talente und Erfolge zu bemächtigen.

Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren. Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile. Ohne viele Süssigkeiten in der Packung.

Ich möchte mit Menschen leben, die sehr menschlich sind.
Menschen, die über ihre Fehler lachen können, die sich nichts auf ihre Erfolge einbilden. Die sich nicht vorzeitig berufen fühlen und die nicht vor ihrer Verantwortung fliehen. Die die menschliche Würde verteidigen und die nur an der Seite der Wahrheit und Rechtschaffenheit gehen möchten.

Es ist das, was das Leben lebenswert macht. Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen, die Herzen anderer zu berühren. Menschen, die durch die harten Schläge des Lebens lernten, durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen.

Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig, mit der Intensität zu leben, die nur die Reife geben kann. Ich versuche, keine der Süßigkeiten, die mir noch bleiben, zu verschwenden. Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden, als die, die ich bereits gegessen habe.

Mein Ziel ist es, das Ende zufrieden zu erreichen, in Frieden mit mir, meinen Lieben und meinem Gewissen.

Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast.

Gedicht von Mário de Andrade (San Paolo 1893-1945) — in Alvor, Faro, Portugal.

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