2021 – das erste Jahr liegt im Kielwasser!

Wo und vor allem wie fängt man an, wenn man ein Jahr Revue passieren lassen will in dem man den Job an den Nagel gehängt hat, sein Haus verkauft hat und sich entschieden hat der Familie, Freunden und der Heimat zumindest temporär den Rücken zu kehren, um „noch einmal etwas zu erleben“?

Abschiedsfrühstück mit Rita und René im „Haus Seegarten“ in Schliersee

Genau das haben wir Anfang 2021 getan, nachdem sich im Laufe des Jahres 2020 erhebliche Veränderungen in unserer beider Jobs angekündigt hatten – wir haben uns kurzentschlossen entschieden, diese Gelegenheit zu nutzen, als „once in a lifetime“ Chance zu begreifen, und einen langgehegten Lebenstraum umzusetzen. Früher als geplant, plötzlich, aber im Vorfeld tausendmal durchdacht!

So haben wir uns nach Verzögerungen in der Vorbereitung und durch den in diesem Jahr alles beherrschenden Covid-19 Virus, am 06.03.2021 von der Familie verabschiedet und nach einem Abschiedsfrühstück im „Haus Seegarten“ – unserer Herberge seit Silvester – den Heimatlandkreis Richtung Süden verlassen.

Miesbach bleibt Heimat – NESSAJA wird unser Zuhause

Ich würde lügen, würde ich leugnen, dass unsere Gefühlslage gemischt war. Wir waren aufgeregt, gespannt – es fühlte sich toll an! Aber wir waren auch traurig unsere Familien lange nicht zu sehen, waren gespannt wie sich neue Freundschaften im Vergleich zu den gewachsenen anfühlen und ob uns die Tragweite unserer Entscheidung nicht irgendwann erschlagen würde.

Diese konfuse Gedankenwelt löste sich im Laufe der Fahrt auf. Reisen war wegen der Corona Regeln zu dieser Zeit nicht einfach, wir hatten einen ganzen Stapel an Papieren dabei, dennoch konnten wir Österreich rasch passieren, in Italien sogar eine Nacht im Hotel bleiben. Letztlich waren wir aber froh als wir endlich auf der Fähre Richtung Griechenland waren – nur noch ein paar Stunden…

Überfahrt Ancona – Patras

Nach einer kurzen Fahrt von Patras nach Piräus hatten wir Zeit bis zum Abend des gleichen Tages, für diesen war bereits die Passage nach Leros geplant – eine gute Gelegenheit in Athen einen Besuch bei einem griechischen Freund zu machen. Ich kenne Harry noch aus Jobzeiten, es fühlte sich gut an gleich am Anfang zu erkennen, dass wir nicht in ein Vakuum in Sachen soziale Kontakte und Freundschaften laufen.

Büro mit Akropolisblick

Nun muss ehrlich erwähnt werden, dass es mir viel leichter fällt als Sibylle einfach auf Menschen zuzugehen. Das gilt schonmal generell, wird aber auch dadurch beeinflusst, dass hier im zwischenmenschlichen Bereich meist Englisch gesprochen wird. Es reicht in einer Runde ja eine Person welche nicht Deutsch spricht…

Dieses Faktum war uns bekannt, das gilt so auf der ganzen Welt. Ich fühle mich wohl dabei und es fällt mir leicht, Sibylle kann ebenfalls Englisch, sie hat aber eine gewisse Barriere welche es zu überwinden gilt.

Es ist so weit – wir sind in Leros, auf unserer NESSAJA, wir ziehen mit unserem Hab und Gut ein – ein Traum wird Wirklichkeit…

Der „Rote Faden“…

Obwohl wir in Quarantäne gezwungen wurden und unser Ankommen dadurch etwas getrübt wurde, haben wir rasch eine heimelige Athmosphäre geschaffen um uns sofort wohl zu fühlen.

Familie – immer dabei!

Man hat uns herzlich Willkommen geheißen, es ging sehr rasch, dass wir Bekanntschaften aus aller Welt gemacht haben – zu dieser Zeit waren viele Nationalitäten in der Marina vertreten, Deutsche, Österreicher, Italiener, Franzosen, Schweizer, Polen, Australier, Norweger, ein Amerikaner und etliche Engländer…

So dauerte es nicht lange, bis sich eine Community zusammenfand und man gemeinsam oder auch nur mit dem Nachbarn, bei bestem Frühlingswetter übrigens, zum Umtrunk, Sundowner oder eben zum BBQ lud.

BBQ bei uns am Steg – sehr spontan

Die Bedenken die wir hatten, waren wie weggeblasen, es war zu keiner Zeit langweilig, wir hatten immer Anschluss zu anderen, aber auch stetig die Option uns mal zurückzuziehen.

Diese Option haben wir dann, fast täglich, zu ausgedehnten Spaziergängen genutzt. Die Insel hat sich zu dieser Zeit sehr einladend gezeigt! Frühlingshafte Temperaturen und eine wunderschöne Landschaft welche man im Sommer so nicht sieht…

Blumenwiesen so weit das Auge reicht
Meerblick – IMMER!

Für die gemachten Schritte haben wir uns meist bei der Rückkehr in den Ort belohnt, ein Cappuccino oder ein Eis gingen immer…

Eis von Repapis – yummie

Wir waren glücklich! Die Entscheidung schien die richtige zu sein. Zu dieser Zeit hatten wir keinerlei Zweifel. Wir hatten auch keine Zeit zum zweifeln, denn auch an NESSAJA waren viele Projekte zu finalisieren – wenn wir nicht spazieren waren haben wir repariert und umgebaut.

Wäre auch nur der Hauch eines Zweifels aufgekommen – ein Bild der Schwiegertochter welches sie Mitte April per WhatsApp geschickt hat, hätte alle Bedenken sofort ausgeräumt…

Miesbach Mitte April

Nein, das brauchen wir nicht mehr! Jahreszeiten gerne, aber im Schnee versinken, Temperaturen unter Null, ein Einheitsbrei aus 1001er Nuance von Grau – das möchten wir nicht!

Da lassen wir es uns doch lieber gutgehen, z.B. beim gemeinsamen Dinner mit der Wintercommunity – hier konnte man schon im Freien sitzen!

Ein weiteres PRO auf der Liste – mediterranes Essen. Wir beide lieben diese Art zu futtern! Wir mögen Fisch, Gemüse, generell die lokale Küche – egal ob bei Besuch einer Taverne oder am heimischen Herd. Wir wollten gesünder essen – das hat oft, aber nicht immer geklappt…

Bis 15.05. durfte man nicht auslaufen. Die Griechen hatten Angst, dass über die Bootstouristen das Coronavirus auf den Inseln verbreitet würde. Dies galt es zu akzeptieren, NESSAJA aber war zu dieser Zeit startklar!

Alle Projekte 2021 abgeschlossen

Nach der Bekanntgabe der Reisefreiheit innerhalb Griechenlands – auch für individuelle Bootsfahrten, gab es für uns kein Halten mehr – wir wollten weg, endlich die ersehnte „Freiheit“ genießen, auf zu neuen Ufern!

NESSAJA läuft aus
Erster Ankerstop – Lipsi

Sicher habt Ihr es bemerkt – soziale Kontakte, Menschen, Treffen mit Freunden, neue Bekanntschaften – all das ist uns wichtig! Deshalb haben wir uns schon im Vorfeld Gedanken gemacht, inwieweit wir uns Besuch an Bord wünschen, für wie lange, unter welchen Bedingungen. Auf NESSAJA ist genug Platz für vier Personen, aber die Freiräume werden dann enger, Toleranz ist gefragt!

Klar war rasch, wir wollen Besuch haben, unsere Türen stehen offen! So war es kaum verwunderlich, dass Kate und Lisa, beide waren schon mehrmals an Bord, auch 2021 die Gelegenheit genutzt haben mit uns zu reisen – wir haben die 14 Tage sehr genossen, das bringt Abwechslung in die Gespräche und ins Bordleben!

Samos

In dieser Zeit feierten Sibylle und ich unsere Geburtstage, wir waren glücklich, das „neue“ Leben lief gut an.

Dies war uns wohl bewusst, wir hielten uns unsere privilegierte Situation stets vor Augen und genossen häufig den Moment.

Carpe Diem – Patmos
Lipsi

So vergingen die Tage, es war Sommer – wir kehrten zurück nach Leros, verabschiedeten hier die beiden Schwestern und bereiteten uns auf den nächsten Besuch vor. Dabei genossen wir die vielen unterschiedlichen, wundervollen Stimmungen der Insel.

Es folgte eine weitere Woche in bester Gesellschaft, eine ehemalige Kollegin und Freundin von Sibylle besuchte uns, auch mit Ihr konnten wir unseren Lebensstil teilen, sie an unserem Lebensmodell teilhaben lassen.

Vor Anker in Kalymnos

Immer wieder dazwischen – nette Gespräche und gesellige Abende mit Freunden und neuen Bekannten…

In der Zwischenzeit trafen immer mehr Segler auf Leros ein. Nicht nur Liveaboards waren nun hier, auch die Saisonsegler waren angekommen, wir trafen viele bekannte Gesichter und befreundete Gruppen formierten sich z.B. zum gemeinsamen Dinner.

Ehrensache, dass man sich in einer solchen Gruppierung auch bei den anfallenden Arbeiten hilft – so gibt es eigentlich immer einen Grund zu schnacken oder ein gemeinsames „Reparierbier“ zu trinken.

Für uns hieß es aber endlich „Leinen los“ zu einer längeren Reise. Wir wollten dem Urlaubsmodus entkommen und wochenlang unterwegs sein, neue Plätz, neue Inseln, neue Leute kennen lernen. Wir hatten hierfür einen Reiseplan welche sich aber aufgrund der späten Abreise und der starken Winde in dieser Phase nicht verwirklichen ließ.

Dennoch sind wir los, auf zu neuen Ufern und haben, anderorts, unsere Pläne zumindest teilweise auch umsetzen können.

Wir haben gemeinsame Nachtfahrten gemacht, dabei die Höhen und Tiefen zu teilender Wachen und den damit verbundenen, anstrengenden Wach- und Schlafrhythmus kennen gelernt…

From dusk…

…und dafür aber auch wunderschöne Momente während der Sonnenaufgänge auf See geschenkt bekommen – kurz, wir haben die Höhen und Tiefen des Reisens ohne Rückzugsort kennen gelernt.

…till dawn!

Wir haben entdeckt und genossen – wir sind auf neuen Pfaden gewandelt – wie hier auf Milos.

Ein bisschen müssen wir zugeben, dass es vorkam, dass das Knüpfen neuer Bekanntschaften gar nicht nötig war. Wir kennen inzwischen viele Segelfreunde welche in Griechenland unterwegs sind. Auch enge Freunde von uns sind hier auf eigenem Kiel unterwegs – es war fast selbstverständlich, dass viele von Ihnen die Gelegenheit genutzt haben uns mal außerhalb unserer sonst üblichen drei Ferienwochen zu treffen – so auch Tina & Volker mit Ihrer ELOWYN…

Milos

Diese beiden Schiffe spielen eine große Rolle in den ersten Monaten unserer Lebensumstellung – NESSAJA als unser neues Domizil, aber auch die ELOWYN, nicht nur das Vehikel der Freunde, inzwischen auch vorübergehender Wohnraum für uns (01/22 – 04/22), solange unsere NESSAJA ihr „großes Refit“ bekommt.

Wir haben die Tage mit den Oberpfälzern sehr genossen und mir wurde abermals klar, wie sehr das Schicksal, in diesem Fall ein gemeinsamer Segelkurs im Jahr 2011, die Lebenswege steuert.

Wir haben die Ägäis einmal durchquert, haben Plätze angesteuert von denen wir vorher oft gesprochen hatten…

Kap Sounion

…und es uns an den Ankerplätzen häuslich eingerichtet. Hierfür haben wir unseren Hausstand intelligent erweitert. Bisher hatten wir in Urlauben fast nur auswärts gegessen. Dies ist nun, allein schon aus finanziellen Gründen, nicht mehr möglich und wir haben durch den Kauf unseres Cobb-Grills unsere Cusine Optionen deutlich erweitert. Auf´s Grillen wollten wir auch an Bord nicht verzichten!

Ein großer Luxus der von uns gewählten Lebenausrichtung – wenn nicht der größte – ist die Zeit die wir haben. Diese haben wir genutzt um Ausflüge zu machen und das Land unserer Gastgeber zu besuchen und zu entdecken.

Tempelanlagen von Sounion, nur eine von vielen besuchten Attraktionen

Große Freude! Das erste Mal, dass uns Familie auf NESSAJA besucht! Amelie und Stefan haben sich für zwei Wochen angekündigt. Wir hatten uns seit vier Monaten nicht gesehen, die Wiedersehensfreude war groß.

Poros

Auch unser Jüngster ist inzwischen über 30 und lebt wie alle unsere Kinder sein Leben, umsomehr genießen wir gemeinsame „Quality Time“ – zusammen und auch als Vater & Sohn Team.

Kythnos

Ich habe dabei festgestellt, hier kann ich nur für mich sprechen, dass es wertiger sein kann, Menschen – dies gilt für Familie UND Freunde – seltener zu sehen aber dafür länger. Die Gespräche haben im Laufe der Tage mehr Tiefgang, man kommt sich näher. Ich habe mich über diese Erkenntnis sehr gefreut, das hilft wenn die Sehnsucht mal größer ist.

Paros

Die Bilder täuschen ein wenig – wir waren zu dieser Zeit schon auf der Flucht. Nicht alles ist eitel Sonnenschein wenn man als „Yachtie“ unterwegs ist – die Temperaturen stiegen auf Rekordwerte, das Wasser war nicht mehr erfrischend – die Athener suchten Erholung im Umfeld der Großstadt, alles war überlaufen.

So sind wir zurück in die Zentralägäis um hier eine frischere Brise zu finden, etwas kühleres Wasser um uns zu erfrischen und auch um dem Strom der Naherholungssuchenden zu entkommen…

Kythnos

Dies gelang uns lange nicht, man merkte, dass die Menschen, nicht zuletzt wegen Covid-19, ausgehungert nach Ausflügen, Urlauben, Erlebnissen waren. Das steht jedem zu!

Leider mussten wir aber auch feststellen, dass vielerorts keine Rücksicht auf irgendwelche Umgangsregeln genommen wurde. Inwieweit dies hilft die pandemische Situation des Jahres 2021 in den Griff zu bekommen bleibt wohl ungeklärt.

Vor der Nachtfahrt – Paros nach Leros

Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt entschieden den geplanten Törn zu verkürzen und wieder in die Heimatregion zurückzukehren. Der Dodekanes war zu dieser Zeit eher ruhig weil es den türkischen Touristen untersagt war nach Griechenland einzureisen. Wir haben entschieden, dass wir Amelie und Stefan noch unsere Heimatinsel Leros zeigen möchten und die Beiden dann von hier aus nach Deutschland zu verabschieden.

Kaum waren „die Kinder“ abgereist, trafen wir uns hier noch einmal mit Tina und Volker, welche auch mit Gästen unterwegs waren.

Zu dieser Zeit war es heiß, sehr heiß, für Sibylle zu heiß! Wir hatten häufig Temperaturen über 40°, nachts immer noch über 30° – das ist etwas woran sich der mitteleuropäische Organismus erstmal gewöhnen muss…

Sibylle konnte und wollte da nicht gemeinsam mit mir durch und hat beschlossen, dass Sie den geplanten Sommer-Heimaturlaub um drei Wochen vorzieht – ich war plötzlich „Mario allein zuhaus!“

Das tat der Laune keinen Abbruch und ich versuchte das Beste aus der Situation zu machen – von morgens (kühl) bis mittags Bootsprojekte, dann Strand…

…abends integrierte ich mich in die Inselgemeinschaft und besuchte kulturelle Veranstaltungen um mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. Das geht alleine besser. Ich war zum Beispiel auf einem Konzert der „Stratakis Brüder“, sehr feine Musik aus Kreta – ein Highlight für die Menschen in Leros und ich war mittendrin statt nur dabei!

Zwischenzeitlich bekamen wir unsere Papiere die uns als „Temporary European Citizens“ ausweisen. Leros ist sozusagen jetzt unser zweiter Wohnsitz, das erleichtert das Reisen unter „erschwerten Bedingungen“ wie es im Falle von Covid-19 durchaus der Fall sein kann.

Inzwischen war auch für mich der Tag gekommen meinen Heimaturlaub anzutreten. Offen gesagt, ich hätte nicht unbedingt nach Deutschland gewollt, aber ein EU Gesetz hat die Heimreise quasi „erzwungen“. Die wenigsten wissen, dass Fahrzeuge aufgrund steuerrechtlicher Gründe meist nicht länger als ein halbes Jahr im Ausland bleiben dürfen – unser Bus musste also ausreisen, daher habe ich entschieden, Sibylle nach Deutschland zu folgen.

Nach fast drei Tagen Reisedauer und einer ganz fiesen Einreisekontrolle am venezianischen Grenzübergang in Fusina, war ich zurück in heimischen Gefilden – es fühlte sich gleichzeitig vertraut und doch fremd an, ich war ein Reisender zwischen den Welten geworden…

Wir trafen Kinder und Enkelchen wieder und konnten den neuen Enkel #4 herzlich willkommen heißen, für mich war es das erste Treffen, Sibylle kannte ihn ja schon, war sie doch exakt rechtzeitig zur Geburt eingetroffen.

Welcome Benno

Das Wetter war zu dieser Zeit (wieder) schön in Deutschland, hatte es doch die Wochen zuvor viel Regen gehabt. Es ergaben sich gute Gelegenheiten die Kumpels wieder zu treffen und erste Geschichten zu erzählen – wie fühlt sich das „neue Leben“ an???

Weißwurschtfrühstück – vor 12.00 Uhr, das muss!

Allen voran standen aber die Treffen mit den Kindern und der Familie, wir haben uns wirklich bemüht alle zu treffen. Dort wo es nicht geklappt hat wurden umgehend Verabredungen für den Dezember getroffen.

Um auf Leros eine größere Flexibilität zu haben und weiter mobil zu sein, habe ich mir ein Motorrad gekauft. Nichts gewaltiges, eine kleine BMW 650GS…

…dies ist in der Retroperspektive ein paar Zeilen wert, weil die Tour mit dem Motorrad nach Griechenland, mein Selbstverständnis einigermaßen durcheinandergewirbelt hat. Die Tage gemeinsam mit Freunden die sich spontan bereit erklärt hatten mich zu begleiten…

Mit Jens und Marcel auf Tour

…wurden zu einem der Highlights des Jahres! Die Tour durch die Dolomiten, bei der eine Passfahrt die nächste jagte, über unbekannte und teils kaum befahrene Sträßchen, war sensationell. Ich war irritiert – warum das? Sollte nicht Segeln und das Schippern auf dem Wasser solche Begeisterung hervorrufen???

Mit diesen Gedanken im Gepäck, aber dennoch überschwänglich gut gelaunt, haben wir Venedig erreicht und uns dort am Nachmittag und Abend ins gar nicht so große Getümmel gestürzt.

Am Ziel – zumindest die Einen – Venedig

Die Tour bis hierhin war der Hammer, die Freunde haben sich verabschiedet, ich zog alleine weiter. Ich genoß die Überfahrt mit der Fähre und die Strecke von Patras nach Piräus die ich gemütlich auf der „Old National Road“ abtuckerte und mir zwischenzeitlich einen Kaffee gönnte – ich hatte alle Zeit der Welt über das Erlebte, mein momentanes Leben und meine Ziele nachzudenken…

Bevor ich mich versah, schluckte der BlueStar-Riese mein Bike und mich und brachte uns wohlbehalten nach Hause.

Sibylle kam schon einen Tag später mit dem Flugzeug nach und wir hatten bald schon wieder Gelegenheit uns mit bekannten Gesichtern, der Crew der ELOWYN, zu treffen.

Diesmal drängte die Zeit, denn schon ein paar Tage später hatte sich widerrum Familienbesuch angekündigt.

Auch Franziska und Mikey ließen es sich nicht nehmen uns auf unserem neuen, schwimmenden Zuhause zu besuchen. Wir pickten die beiden auf der Nachbarinsel Kos auf und verbrachten zehn wunderbare Tage zusammen.

Gemeinsam haben wir die Schönheiten der Natur bestaunt die sich immer mal wieder als Schauspiel bieten – nicht planbar…

Nachdem auch diese Zeit zu Ende war und sich der letzte Besuch des Jahres verabschiedet hatte, haben Sibylle und ich beschlossen unsere Segelsaison 2021 zu Ende zu bringen, es war inzwischen Mitte Oktober.

Wir kehrten ein letztes Mal in einer der kleinen Tavernen der Nachbarinseln ein und verbrachten eine letzte Nacht an der Boje, frei schwojend.

Stigma – Archangelos

Wir waren zufrieden, NESSAJA hatte die Saison gut gemeistert. Es gab keine Defekte, keine unangenehmen Überraschungen. Trotzdem haben wir gemerkt, dass einige Verbessungeren nötig sind um unser Schiff, unser Zuhause, auch für lange Zeit wohntauglich zu machen.

Mit dieser Einsicht und Gewissheit haben wir „unseren“ Liegeplatz in der Leros Marina Evros belegt.

Zurück auf Leros, galt es Abschied zu nehmen – die saisonalen Segler gingen langsam in die Winterpause und buchten Fähren und Flüge in Ihre Heimatländer. So auch unsere Freunde Tina und Volker – auf Wiedersehen – zum ersten Mal bleiben wir länger als Ihr, es war ein schönes Jahr mit Euch!

Doch bevor es bei den Beiden losging, wollte ELOWYN, der blaue Riese, noch für die Winterpause präpariert werden – Ehrensache, dass wir helfen…

Langsam sprach sich herum wer länger bleibt oder wer gar in der Marina überwintert. Schnell war klar – wir sind nicht alleine! Es wurde besprochen wer, wann und für wie lange Heimaturlaub macht und wer über Weihnachten und Silvester in Griechenland sein wird.

Wir ließen zunächst verlautbaren, dass auch wir „Urlaub“ machen – und zwar auf Kreta! Dorthin fuhren wir Ende Oktober mit dem Motorrad um… ganz klar, Freunde zu besuchen!

Unsere Fahrt führte uns direkt nach Kamilari, wo zwei mit uns befreundete Paare aus Deutschland Häuser besitzen, völlig unabhängig voneinander, ohne sich zu kennen – das wollten wir ändern!

Wir genossen die Zeit abseits unserer gewohnten Umgebung so wie vielleicht alle Urlauber einen Tapetenwechsel genießen. Die Zeiten am Strand…

…und den Besuch der Plätze die für manches Mindset oder Credo – nennt es wie ihr wollt – verantwortlich zeichnen.

Matala – einstige Hippie Hochburg

Doch der Trip nach Kamilari war mehr für uns. Lang schon beschäftigt uns die Frage wie es sich wohl anfühlen würde eine Immobilie in Griechenland zu haben. Weniger Verantwortung als auf See, weniger Kampf mit den Elementen – aber auch weniger Eindrücke, weniger Erleben – wir waren in dieser Zeit völlig Hin und Her gerissen!

Wir haben uns Häuser in Kamilari, Kretas Süden, angesehen und viel Hirnschmalz investiert – wäre das die bessere Lösung?

Sesshaftigkeit, Sonne, Meer? Ein Hund vielleicht? Immer die Enkel in den Ferien zu Besuch? Jeden Tag mit einem kleinen Jeep oder dem Motorrad an den Strand? Kontinuität statt Vagabundenleben? So sprach das Engelchen – oder war DAS das Teufelchen??? Sein Pendant flüsterte – seid nicht dumm, das alles habt Ihr gerade aufgegeben! LEBT! Seid neugierig, entdeckt, erlebt! Ein Dilemma…

Wir haben uns nach einer Woche im Süden verabschiedet um in den Norden der Insel zu fahren, wir waren fröhlich, aber die Gedanken flogen uns durch den Kopf – unser Mindset habe ich ja gerade beschrieben! Auch im Norden, in der Nähe von Agios Nikolaos, haben wir ein Haus angesehen.

Das Haus war wunderschön, hatte Meerblick, war preiswert und sofort bezugsfertig – doch irgendwas bremste uns?!

Egal, wir können auch später entscheiden – wenn wir schonmal hier sind nutzen wir die Gelegenheit eine Facebook Bekanntschaft in eine reale Freundschaft umzuwandeln. Carola lebt zur Zeit auf Kreta und wir haben uns in AN verabredet. Es wurde ein herrlicher Abend – da sag nochmal einer Social Media ist nur eine leere Hülle. Der Umgang damit macht den Unterschied!

Facbook-Treffen in Agios Nikolaos – gerne wieder!

Hand auf´s Herz – mittels Facebook (funktioniert in Griechenland bestens) und dem damit verbundenen Messenger kann ich hier vor Ort alle gewonnenen griechischen Freunde anschreiben, die nutzen das fast alle! Die Plattform ist, global betrachtet, nicht so schlecht wie der Ruf den sie in meiner Generation hat.

Zudem bin ich in einem deutschen Bootsforum Mitglied, über welches ich schon mindestens ein Dutzend Menschen real kennen gelernt habe. Fast jede so initiierte Begegenung konnte zu einer Freundschaft ausgebaut werden.

So viel nur zur Rolle die Social Media in unserer Welt spielt…

Nach Hause telefonieren…

Generell bleibt zu sagen, dass regelmäßige, virtuelle „Treffen“ mit den Freunden aus dem alten Leben dabei helfen einen Blues zu überwinden – auch zur Familie halten wir so regelmäßigen und auch häufigen Kontakt – wir haben hier alle Möglichkeiten. Plattformen wie WhatsApp, Zoom oder Facetime helfen uns das reibungslos hinzubekommen – inzwischen haben wir griechisches Internet, nachdem zumindest mein Provider mein Medienverhalten nicht gutheißen wollte (1&1).

Zurück auf Leros…

Ausflug nach Kalymnos – mit der SOPHIE

Susanne und Thomas aus der Schweiz waren die letzten der saisonalen Fraktion – auch hier hieß es Abschied nehmen bis zum Sommer 2022 (oder vielleicht länger – das weiß man nie).

Wir wussten, dass sich unsere Rückkehr aus Kreta und deren Rückreise in die Schweiz um ein paar Tage überschneiden würde, so haben wir vereinbart, diese Zeit für einen Bootsausflug gemeinsam mit griechischen Freunden zu nutzen. Ein herrlicher Tag!

Lunchtime – Greek Food

Am nächsten Tag wurde noch miteinander gekocht und gegessen, so wie es hier in Griechenland üblich ist. DAS gefällt mir, das ist die Lebensart die ich so schätze. Es war ein herrlicher Abschluss.

Erwähnenswert nicht zuletzt deshalb, weil es Susanne war, über die wir Leros kennen gelernt haben. Ein Bootskauf, mehr nicht! Jahre später hat sich bei einem Wiedersehen eine Freundschaft entwickelt die bis heute hält.

Die Vorweihnachtszeit bricht an, Advent, in Deutschland die „staade Zeit“ – so sagt man wenigstens! Das ist hier nicht viel anders.

Der Christbaum neben Palmen, ein wenig mehr „Blingbling“ – das war es schon! Die Menschen hier fangen früh mit dem Schmücken an, man genießt diese Phase des Jahres. Das war überraschend für mich, es ist aber auch verständlich – Ruhe, man ist unter sich, keine Touristen, Entschleunigung.

Das haben auch wir in unseren Alltag übernommen.

Ein paar Crews gingen, ein paar neue Crews kamen hinzu – die Wintercommunity war komplett! Sogleich wurden verschiedene Gelegenheiten kreiert um sich auf den ein oder anderen Glühwein nebst Stollen zu treffen. Es war eine sehr unbeschwerte und fröhliche Zeit.

Das Wetter änderte sich langsam, es wurde frischer, es gab ab und an Regen.

Anderes Thema – Covid-19 hat uns das ganze Jahr begleitet. Die Griechen sind streng, gehen aber im Alltag gelassen damit um – Leben und Leben lassen ist die Devise, man kommt gut damit durch.

Uns Ausländern hat man recht früh angeboten uns hier mitzuimpfen, es wurde durchgängig Pfizer angeboten. Hatte man sich erstmal über den Ablauf informiert, war es kaum ein Problem an den Impfstoff zu kommen.

Die eigene Meinung vollkommen außen vor gelassen, war uns rasch klar, dass wir unsere Pläne überhaupt nur als Geimpfte weiter verfolgen können. Da unsere Angst vor solchen Impfungen nicht riesig ist, sind wir diesen Weg mit den Griechen gegangen.

Auch häufiges Testen gehört zu unserem Alltag – hier in Griechenland wie auch während unserer Besuche in Deutschland. Kein Problem für uns, den Vorgaben und Empfehlungen zu folgen – dennoch erschien es uns manchmal überraschend, wie rasch sich Impfungen, Tests und Masken etabliert haben.

Ich gehe den Weg weiter mit, gebe aber die Hoffnung auf ein neues Normal nicht auf. Ein Normal in welchem man wieder Gesichter und ein Lächeln sieht, ein Normal ohne Impfpflichten und stetige Tests auch für kleine Kinder.

Dennoch, nur unter Einhaltung dieser Vorgaben, ja Vorschriften, war es uns möglich für Weihnachten nach Deutschland zu reisen. Das war lange nicht sicher, letztlich haben wir uns aber sehr darauf gefreut Weihnachten mit den Kindern und Enkeln zu feiern und an Silvester mit einem Teil der Familie ins neue Jahr zu rutschen.

So ließen wir uns von Aegean nach Deutschland fliegen wo unser Jahr so endete wie es begann – bei einem Frühstück im „Haus Seegarten“ – diesmal als Willkommenszeichen statt zum Abschied.

Welcome-Breakfast – wieder im „Haus Seegarten“ am Schliersee

Wir haben wechselweise dort und bei unserem Sohn in unserem alten Haus eingecheckt um zu verweilen. Wir konnten alle Freunde und Familienmitglieder wiedersehen und hatten ein herrliches, besinnliches Weihnachtsfest mit den Miesbacher Enkeln.

Dazwischen sind wir nach Karlsruhe gefahren um auch dort, nach langer Abstinenz, wieder einmal unsere Aufwartung zu machen. Hier haben wir auch mit Andrea und Achim Silvester verbracht.

Spazierengehen – ein Muss! Hier am Rhein mit Andrea (hinter der Kamera) und Achim

Es war übrigens ein Silvester an welchem sich die Bürger die Freude weder von Corona verderben, noch von der Regierung verbieten ließen – es wurde geschossen und gefeiert! Und ich habe es, ausnahmsweise, mal sehr genossen!

Unser Fazit!

Es war ein sehr gutes Jahr, vieles hat besser geklappt als erwartet. Es war keinen Tag langweilig, wir hatten immer Spaß und Kurzweil. Wir waren, der vielleicht wichtigste Punkt, meist gesund, hatten weder Pech noch Pannen und auch großer Ärger blieb erspart.

Es war auch ein Jahr der Findung, eines welches sich in vielen Phasen noch mehr wie Urlaub anfühlte statt wie ein neues Lebensmodell. Wir haben die Grenzen unserer finanziellen monatlichen Leistungsfähigkeit ab und an touchiert und überschritten, auch hier müssen wir optimieren, besonders wenn Besuch da ist.

Besondere Herausforderung war die Antwort auf die Frage „habe ich alles richtig gemacht?“ – dies im Bezug auf die Aufgabe des Gewohnten, hier möchten wir sagen JA, wir haben das Gefühl wir sind am richtigen Weg. Mehr noch aber im Bezug auf die Frage „leben auf einem Segelboot?“ – hier war die Antwort lange offen, wir waren zerrissen und haben viel an den Immobilienoptionen getüftelt – aber auch das ist jetzt vom Tisch.

Wir freuen uns auf NESSAJAs Refit, die Mordernisierungen und den Komfortgewinn dadurch. Wir freuen uns auf die Reise und auf Neues, auf erLEBEN! Alea iacta est – die Würfel sind gefallen…

In diesem Sinne hoffen wir, die Crew der NESSAJA, dass Ihr weiter neugierig dem Blog und unseren Geschichten folgt…

Epilog

Ich hoffe, dass mein Jahresbericht den Erwartungen entspricht. Fragen beantworte ich gerne per Mail oder auch in den Kommentaren. Es sollte bewusst keine Wiederholung der in den Monatsberichten geschilderten Erlebnisse werden, sondern sich mehr und intensiv mit unserer Gefühlslage während dieses Jahres beschäftigen – ich wünsche mir, dass dies gelungen ist.

Herzliche Grüße vom Skipper

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